Lesepfad 1001 Nacht/Märchen 1

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Das Märchen von dem Ochsen und dem Esel

Im Stall eines reichen Kaufmanns standen ein Ochse und ein Esel nebeneinander. Draußen ging der Kaufmann vorüber, dem Allah die Gabe verliehen hatte, die Sprache der Tiere zu verstehen. Es war ihm aber bei Strafe des Todes verboten, diese Gabe irgendeinem Menschen zu verraten. Als er eben vor der Stalltüre stand, hörte er, wie der Ochse zu dem Esel sprach: „Wie gut es dir geh, Bruder Esel! Dein Stall wird immer gepflegt und du bekommst das beste Futter zu fressen. Nur wenn der Herr dich braucht, wirst du zum Reiten geholt, aber kaum bist du zurück, dann kannst du dich im Stall ausruhen. Ich dagegen werde muss von morgens bis abends den schweren Pflug über den Acker ziehen, bekomme nur einfaches Heu und muss auf dem kalten harten Boden schlafen. “

„Du hast es tatsächlich schwerer als ich. Ich will dir aber einen guten Rat geben“, meinte der Esel. „Wenn die Knechte morgen früh kommen und dich auf das Feld treiben wollen, so lege dich hin und tu so, als seist du krank. Vor allem, rühr dein Futter nicht an!“

Der Ochse verstand, dass der Esel es gut mit ihm meinte und als am nächsten Tag die Knechte kamen, um den Ochsen zu holen, verhielt er sich, wie der Esel es ihm geraten hatte. Er bewegte sich nicht vom Fleck, auch als die Knechte ihn peitschten. Auch rührte er sein Futter nicht an.  

Das wurde dem Kaufmann gemeldet, der doch das Gespräch zwischen Ochse und Esel gehört hatte. „So hat der Ochse auf den Esel gehört,“ dachte der Kaufmann. „Wenn der Esel allerdings glaubt, er könne mich überlisten, werde ich ihm eine Lektion erteilen. Deshalb befahl er: „Morgen soll der Esel die Arbeit des Ochsen tun.“

So wurde am anderen Morgen der Esel vor den Pflug gespannt und er musste die Arbeit des Ochsen verrichten, auch wenn ihm alle Knochen wehtaten. Ging er nicht weiter, peitschten ihn die Knechte, bis er am Abend erschöpft in den Stall zurückkehrte.  

Dort erwartete ihn der Ochse: „Wahrlich, mein Freund, dein Rat war gut. Ich habe mich den Tag lang ausgeruht und mein Futter in Frieden gefressen.“ Der Esel murrte: „Das ist ungerecht!“ Er bereute es, dem Esel geholfen zu haben. Er dachte angestrengt darüber nach, wie er es vermeiden konnte, wieder aufs Feld zu müssen. Da kam ihm eine Idee.

„He, Ochse!“ rief er. „Ich werde dir noch einen Rat geben. Er könnte dein Leben retten! Als ich heute vom Feld zurückkam, hört ich, wie der Kaufmann sagte, wenn du morgen immer noch nicht arbeiten könntest, könnte er dich nicht länger behalten.“ „Ist das alles was er gesagt hat?“ fragte der Ochse. „Nein“ antwortete der Esel. „Der Kaufmann will dich schlachten lassen. Aus deiner Haut werden Schuhe gemacht und die ganze Familie hätte eine Woche lang zu essen." Der Ochse brüllte entsetzt auf. „Oh lieber Esel, hilf mir doch! Ich will alles tun was du sagst.“ Nur zu gern gab der Esel den zweiten Rat: „Morgen früh musst du wieder ganz gesund und munter sein. Zeig den Knechten, dass du es kaum erwarten kannst. Vor den Pflug gespannt zu werden.“ „Das werde ich tun,“ sprach der Ochse. Der Ochse tat, was ihm der Esel geraten hatte. Er arbeitete so hart, dass er kein einziges Mal gepeitscht wurde. Von diesem Tag an behandelten der Kaufmann und die Knechte den Ochsen viel freundlicher. Und was geschah mit dem Esel? Er führte wieder ein bequemes Leben wie zuvor. Aber von Zeit zu Zeit gönnte der Kaufmann dem Ochsen einen Tag Ruh und befahl den Knechten, statt seiner den Esel vor den Pflug zu spannen.    

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